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Erfahrungsbericht zum Aufenthalt in Billericay vom 7.11. – 23.11. 2011

          
 
Zurückgekehrt mit einer Fülle von Eindrücken habe ich lange darüber nachgedacht, wie sich dieser reiche Erfahrungsschatz am besten vermitteln lässt. Da die strukturellen Unterschiede beider Bildungssysteme sowohl aus einschlägigen Veröffentlichungen als auch aus anderen Erfahrungsberichten über Hospitationen an Schulen in Großbritannien hinreichend bekannt sind, habe ich mich entschieden, einen klassischen Erfahrungs – und Erlebnisbericht im Sinne des Wiedergebens von Eindrücken zu verfassen und dabei eine vergleichende analytische Betrachtung einiger markanter Parameter der beiden Bildungssysteme vorzunehmen.
 
Vom 7.11. bis 23.11. 2011 war ich Gast an der Billericay School in Billericay, Essex. 
 
THE BILLERICAY SCHOOL A MATHS & COMPUTING COLLEGE ist eine comprehensive, also eine Gesamtschule für Jungen und Mädchen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Lernvoraussetzungen, inklusive sixth form college, also Abiturstufe. In diesem Schuljahr gehören der Schule 1690 Schüler an, die von 120 Lehrern unterrichtet und weiteren 100 Personen betreut werden. 
 
Der uns allen bekannte visuelle Unterschied des Tragens einer Schuluniform ist bei weitem nicht der signifikanteste. Sicher sehen die schwarzen Hosen / Röcke und Blazer mit den weißen Hemden / Blusen und den nach Jahrgangsstufen im Rotationsprinzip differenzierten Krawatten (In diesem Schuljahr: yellow stripes – year 7 / purple stripes – year 8 / green stripes – year 9 / blue stripes – year 10 / red stripes – year 11.) und dem Billericay – Wappen, einer Windmühle, einerseits sehr schmuck aus, aber der in meinen Augen weit wichtigere Aspekt ist der der Identifikation. Dieses Zugehörigkeitsgefühl wird noch verstärkt durch das so genannte ’house-system’, nach dem jeder Schüler mit der Aufnahme in die Schule einem ’house’, benannt nach berühmten Wissenschaftlern: Curie, Edison, Keller, Newton und Scott zugeordnet wird. Zwischen diesen ’houses’ gibt es einen fairen Wettbewerb auf vielen verschiedenen Ebenen des schulischen und außerunterrichtlichen Lernens.
 
Fairness im Umgang miteinander und Gemeinschaftsgefühl im Sinne von „WIR“ und „UNSERE SCHULE“ sind zwei Aspekte, von denen das Schulklima maßgeblich geprägt ist. Toleranz und Akzeptanz werden an der Schule gelebt. Neben der main hall findet der Besucher folgende Information: The students, families and staff of our community speak an amazing range of languages. Here are a few: English, Welsh, French, German, Flemish / Dutch, Polish, Russian, Farsi, Panjabi, Urdu, Bengali, Greek, Turkish, Twi, Thai, Afrikaans.
 
In Anbetracht der ethnischen und religiösen Vielfalt von mehr als 25 Nationen ist das sicher nicht immer leicht zu realisieren. Für die Lösung eventuell auftretender Konflikte ist ein Pastoral Support System etabliert, das in beeindruckender Weise auf alle Arten von Disziplinproblemen einwirkt und so das offene und vertrauensvolle Schulklima befördert. Die Atmosphäre an der Schule ist gekennzeichnet von der Achtung vor der Arbeit eines jeden Einzelnen. Schüler, Lehrer und technisches Personal bilden eine Gemeinschaft, deren Ziel die
Entwicklung ihrer Billericay School unter dem Motto: Caring about success  ist. Dieses Motto determiniert alle Funktionsbereiche der Schule. Sorge tragen für den Erfolg heißt auch, dass alle Fachbereiche in diesem Sinne zusammenarbeiten, ohne spezifische Befindlichkeiten in den Vordergrund zu rücken. Besonders deutlich tritt das zu Tage, wenn man als Besucher die Diskrepanz zwischen dem baulichen Zustand der älteren Gebäude und dem Ausstattungsgrad betrachtet. Die Schule ist im Laufe ihres Bestehens seit 1938 viele Male erweitert und um – und angebaut worden und befindet sich zurzeit im Zustand des Aus – allen – Nähten – Platzens. Ein neues Gebäude auf
dem weitläufigen Schulgelände ist im Entstehen. Seine Fertigstellung wird sich aufgrund finanzieller Engpässe, verursacht durch die Rücknahme von finanziellen Zusagen durch die neue Regierung, erheblich verzögern. Auch wenn man darüber traurig ist, so klagt jedoch keiner, sondern bemüht sich, trotz der räumlichen Unzulänglichkeiten die anstehenden Aufgaben zu meistern. Solange wird beispielsweise der Englischunterricht weiter in fünf Behelfscontainern, die auf dem Schulgelände schon vor Jahren errichtet wurden, erteilt. Die oben erwähnte Diskrepanz wird hier besonders augenscheinlich, denn selbst in jedem Raum dieser Container (Unterrichtsräume und Lehrerzimmer / Vorbereitungsräume) entspricht die technische Ausstattung mit Computern und Beamern dem Niveau der übrigen Räume, wodurch auch hier eine hohe Qualität des Unterrichts gewährleistet ist.
Die gesamte Schule ist computer based, verfügt über eine hauseigene Serveranlage, die von vier fest angestellten IT-Experten installiert wurde und nun gewartet und ständig aktualisiert wird. Der Lehrer muss also kein Multifunktionstalent sein und sich auch noch um defekte Geräte, deren Reparatur und die Beantragung der dafür notwendigen Mittel kümmern. Dafür gibt es Fachleute, die mit der entsprechenden Technik derart vertraut sind, dass sie im Bedarfsfall sofort eingreifen können, ggf. Reparaturen vornehmen bzw. entsprechend des vorhandenen Budgets Ersatzinvestitionen auslösen dürfen. Dadurch werden einerseits lange Warte–und Reparaturzeiten vermieden und andererseits auch Kosten günstig beeinflusst.
Die Vorteile dieser Herangehensweise liegen darin begründet, dass 1. optimal an schulische Anforderungen angepasste Entscheidungen in Bezug auf Investitionen gefällt werden können, 2. kein Ausfall der Technik über einen längeren Zeitraum die Qualität des Unterrichts bzw. den Unterrichtsablauf behindert und 3. somit keine Improvisationen wegen defekter Technik notwendig sind. 
In allen Räumen der Schule, d.h. in allen Lehrerzimmern, Vorbereitungsräumen, Klassenzimmern und Kleinsträumen für individuellen Förderunterricht befinden sich Computer, Beamer und Drucker. Darüber hinaus gibt es spezielle Computerräume, in denen bis zu 30 Geräte stehen, so dass jeder Schüler die gestellten Aufgaben an einem eigenen Computerarbeitsplatz erfüllen kann. Alle Computerarbeitsplätze verfügen über Internetzugang. Auf der Grundlage der vorhandenen technischen Ausstattung und die durch die IT – Fachleute ausgeübte Kontrolle sind Missbräuche sehr selten und wenn doch, würden sie durch die IT - Mitarbeiter lokalisiert, dem Arbeitsplatz und damit dem entsprechenden Schüler zugeordnet, der dann durch die Kollegen des Bereiches pastoral support zur Verantwortung gezogen würde. Diese Kontrolle gehört also nicht zu den Aufgaben des Fachlehrers, denn man geht davon aus, dass nicht jeder, der mit dem Computer arbeitet, auch ein IT-Fachmann ist.   Außerdem gibt es in den Räumen Drucker, so dass Erarbeitetes auch sofort ausgedruckt werden kann.
Im Übrigen werden auch alle notwendigen Materialien von Stiften über Ordner bis hin zu Unterrichtsplanern von der Schule angeschafft und dem Lehrer zur Verfügung gestellt. Auch die students planner, in denen alle wichtigen Informationen wie Kontaktdaten, Stundenplan, Uniform - Richtlinien, Elternabend u.ä. zu finden sind und auch die Hausaufgaben eingetragen werden, werden allen Schülern von der Schule zur Verfügung gestellt.
 
Auch in Großbritannien gibt es Sparzwänge und der Umgang mit dem der Schule vom Staat bereitgestellten Budget muss sorgfältig geplant werden, liegt aber eben in Eigenregie der Schule, die nach Abzug aller anfallenden Lohnkosten für das technische Personal, die Lehrer, die pädagogischen Hilfskräfte und die Vertretungsreserve verantwortungsbewusst entscheidet, welche Anschaffungen im Interesse einer optimalen technischen Ausstattung unbedingt getätigt werden müssen und welche Reserven es gibt, um beispielsweise Klassensätze von Whiteboards A 4 mit dem entsprechenden Zubehör u.a. dafür anzuschaffen, dass im Chinesisch-Unterricht das Schreiben der Buchstaben effektiv geübt werden kann. Damit ist die Schule in die Lage versetzt, zeitnah Entscheidungen zu treffen, die der optimalen Unterrichtsdurchführung dienen.
 
An dieser Stelle möchte ich unbedingt auf die beeindruckende Schulbibliothek hinweisen. Sie umfasst einen riesigen Bestand (mehr als 30000 Bände) an Lesestoffen für alle Altersklassen, aber auch Nachschlagewerke, Fachbücher, Hörbücher, CD’s etc. Dazu gehören ebenfalls zahlreiche Computerarbeitsplätze, die sowohl für Hausaufgaben, aber auch individuellen Förderunterricht (Personalised Learning Workshop / Stretching the more able) zur Verfügung stehen. Geleitet wird dieser Bereich von einer ausgebildeten Bibliothekarin, die ein Team von vier weiteren Kräften an ihrer Seite hat, so dass jeder Schüler (Während der Mittagspause suchen bis zu 180 Schüler die Bibliothek auf!) immer einen Ansprechpartner hat, der ihn berät und unterstützt. Die Teamleiterin hat ein anspruchsvolles System der Leseförderung insbesondere für die Jahrgänge 7 und 8 installiert, die im Rahmen des Unterrichts einmal wöchentlich in die Leseecke kommen und dort in einem selbst gewählten Buch lesen. Der Buchtitel und der wöchentliche Lesefortschritt werden in einem Heft (Your Accelerated Reader - Reading log) festgehalten. Nach Beendigung der Lektüre absolviert der Schüler am Computer einen Lese-verstehenstest in Form eines Quizzes, dessen Ergebnisse dann ebenfalls eingetragen werden. Die notwendigen finanziellen Mittel zur ständigen Aktualisierung des Bestandes sind eine feste Größe im Haushalt der Schule.
 
Weitere gravierende Unterschiede liegen in institutionell und finanziell fest etablierten Systemen, die es in dieser Form bei uns nicht gibt.
 
Da wäre zunächst einmal so genannte cover system zu nennen. Eine Mitarbeiterin, selbst keine Lehrkraft, hat einen festen Stamm an Vertretungslehrern zur Verfügung, die ausschließlich für die Abdeckung anfallender Vertretungsstunden in ständiger Bereitschaft sind. Diese Personen sind morgens in der Schule und können bei Bedarf sofort Unterricht übernehmen. Im Falle des Bekanntwerdens, dass ein Kollege voraussichtlich längere Zeit ausfallen wird, stehen dieser Mitarbeiterin weitere Personen zur Verfügung, die dann in einer Art Rufbereitschaft angefordert werden. Sie organisiert also alle notwendigen Vertretungen, so dass es de facto keinen Unterrichtsausfall gibt.
 
Eine weitere Besonderheit ist das Vorhandensein von so genannten pädagogischen Hilfskräften (ca. 20 Personen), die zum Stammpersonal der Schule gehören und bei Bedarf einzelnen Schülern in verschiedenen Fächern, jeweils in Abhängigkeit von speziellen Lernproblemen wie LRS o.ä. individuelle Hilfe geben, in dem sie den Schüler in den Unterricht begleiten, der ihm Probleme bereitet, neben ihm sitzen, den Erläuterungen des Lehrers gemeinsam mit dem Schüler folgen und ihn im Sinne einer motivierenden Unterstützung fördern, um auf diese Art zu einem persönlichen Lernfortschritt beizutragen. Wenn man im Laufe der Schuljahre 9 und 10 erkennt, dass der Schüler doch nicht über die Fähigkeiten verfügt, GCSE erfolgreich abzuschließen, so bietet die Schule dem Schüler die Möglichkeit eines vocational trainings. Dafür stehen rund um Billericay so genannte non-profit making Einrichtungen zur Verfügung, in denen die Schüler ihre praktischen Fertigkeiten ausprobieren können. Die Bandbreite reicht von tageweisen praktischen Übungen bis zu mehrwöchigen Praktika zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung.
 
Ich konnte mir selbst ein Bild davon machen, da man mir ermöglichte, gemeinsam mit dem verantwortlichen Lehrer folgende Einrichtungen zu besichtigen: ITEC College (Information Technology and Computing college), Life Skills Solutions, Bowlers Croft (car mechanics and bricklaying), JET Hairdressing College, Prospects College (Construction) and South Hill Farm (animal husbandry). In allen spontanen Gesprächen während der Besuche dieser Einrichtungen wurde deutlich, dass die Schüler zufrieden und dankbar für die gebotenen Möglichkeiten sind.
 
Das eingangs bereits erwähnte Pastoral Support – System wurde vor ca. sieben Jahren geschaffen und trägt Sorge für die Bewahrung des vertrauensvollen Schulklimas und seine ständige Weiterentwicklung. Vier Mitarbeiter aus der großen Gruppe des technischen Personals haben ein besonders waches Auge in Sachen Ordnung und Disziplin. Dazu dient auch ein Kamera-Überwachungssystem auf dem Schulgelände. Solche Kameras gibt es übrigens auch in den Schulbussen. Bei eventuellen Verstößen, wie Rauchen auf dem Schulgelände, am oder im Schulbus oder Rangeleien untereinander, führen die Mitarbeiter die entsprechenden Gespräche und leiten ggf. disziplinarische Maßnahmen ein. Diese Heran-gehensweise zeigt Wirkung in der Gestalt, dass kaum noch disziplinarische Maßnahmen er-griffen werden müssen. Vor der Installation der Kameras mussten ca. 250 Briefe an Eltern wegen Verstößen gegen das Rauchverbot geschrieben werden; heute sind es noch ca. 5 Briefe im Jahr.
Für alle administrativen Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung von Schülerdaten, für alle organisatorischen Fragen, für die Beratung bei individuellen familiären Problemen, für die Betreuung bei gesundheitlichen Problemen sind die Mitarbeiterinnen des students office zuständig.
Zusammenfassen lassen sich diese Aspekte in der Formel: Die Lehrer sind verantwortlich für den Unterricht und können damit 100% der Unterrichtszeit in die Vermittlung des Stoffes investieren, da es für alle anderen Tätigkeiten technische Kräfte gibt! Jeder hat seine fest umrissene Aufgabe, die er mit hohem Verantwortungsbewusstsein erfüllt! Für mich ein Hauptgrund dafür, dass eine Schule in dieser Größenordnung so vorbildlich funktioniert!
 
Eine weitere überaus interessante Erfahrung war die Beobachtung eines Projekttages. Das Motto lautete: You’re in business / Mone£Sense for Schools und wurde von einem MoneySense Coach der NatWest vorbereitet. Auch die Durchführung lag in den Händen von NatWest. Die Bank schickte 45 Mitarbeiter aus Essex in die Schule, um dieses Projekt zu unterstützen. Jeder Tutorkurs, hierbei sei noch erwähnt, dass man an der Billericay School nach einem vertikalen Tutoring (Jeder Tutor hat in seinem Tutorkurs Schüler aus den Jahrgangsstufen 7 – 11.) arbeitet, wurde neben seinem Tutor von zwei Bankern bei der Durchführung des Projektes betreut, die am Ende des Tages auch die Präsentationen bewerteten. Schüler und Lehrer schätzten diesen Projekttag als besonders gelungen ein.
 
Abschließend möchte ich noch einige Anmerkungen zur Abiturstufe machen.
Der sixth form gehören etwa 250 Schüler. Eine optische Besonderheit besteht darin, dass die Schüler der Jahrgangsstufen 12 und 13 keine Schuluniform tragen. In diesem Punkt hat man sich wohl schon ein wenig geöffnet, obwohl beispielsweise am non-uniform day deutlich wurde, dass Schüler ihre Uniform wertschätzen. In die Zeit meines Aufenthaltes fielen auch die persönlichen Gespräche mit den Schülern des Jahrgangs 11 zur Vorbereitung auf den Übergang in die Abiturstufe. Die Schüler wurden zunächst in einem assembly per Power Point über die Inhalte der Fächer, die sie wählen können, informiert. Die Fachbereichsleiter gaben zusätzliche Informationen und nannten ihre Sprechzeiten für individuelle Anfragen bezüglich der geeigneten Auswahl von Fächern im Hinblick auf ein späteres Studium. Danach wurden von den Abteilungsleitern sixth form persönliche Gespräche mit jedem Schüler geführt. Außerdem erhält jeder eine detaillierte Info-Mappe (THE BILLIRICAY SCHOOL – A MATHS & COMPUTING COLLEGE SIXTH FORM),  in der sich neben allen Angaben zu Fächern und Prüfungen auch die Anmeldeformulare und eine Terminleiste befinden. Für besonders wertvoll, da in hohem Maße motivierend, halte ich die Angaben auf Seite 3 der genannten Broschüre, die ich zitieren möchte:
 
Some good reasons why you should choose Billericay school sixth form:
·        The size of our sixth form gives us greater resources than smaller institutions and
enables us to form groups catering for several different levels of ability.
·        Excellent study facilities and subject resources ( including state of the art media and
     music facilities)
·        Personalised care and support through a personal tutor and the sixth form pastoral
team, supporting and monitoring your progress and acting as a contact point with
home.
·        An exceptional curriculum enrichment programme
·        Access to the school’s PE and gym facilities
·        Outstanding guidance and support for university, employment or training.
·        A structured and academic environment in which to reach your potential.”
 
Interessanterweise gibt es auch kleine Kurse, beispielsweise einen Deutschkurs Jahrgang 13 mit nur acht Schülern, was bei einer Unterrichtsstunde, die übrigens 60 Minuten dauert, zu einer sehr intensiven Beschäftigung mit der Sprache und damit auch zu herausragenden Ergebnissen führt. Der Fachbereich Deutsch der Billericay School, dem auch zwei Deutsche angehören, die ihre Muttersprache als Fremdsprache unterrichten, ein Prinzip, das in allen Fremdsprachen Vorrang hat und wenn möglich auch realisiert wird, hat sich entschieden, als Schwerpunkt deutsche Geschichte und nicht deutsche Literatur auszuwählen, d.h. also, dass Analyse und Interpretation fiktionaler Texte sowie Erörterung literarischer Probleme in der Fremdsprache nicht stattfinden. Die Arbeit am literarischen Text ist ein wichtiger Gegenstand im Muttersprachunterricht der Sekundarstufe I und II.
 
Eine für mich sehr wichtige Erfahrung ist der methodische Ansatz des Fremdsprachenunterrichts, nicht mit einsprachigen Wörterbüchern zu arbeiten, um dem Schüler das Nachschlagen zu erleichtern und ihn damit zu einem schnelleren Textverständnis zu führen. Dabei legt man verschiedene Überlegungen zu Grunde. Zum einen geht man von der realen Tatsache aus, dass dem leistungsschwachen Schüler ein einsprachiges Wörterbuch mit seinen Erklärungen auf Grund mangelnder Vokabelkenntnisse kaum eine wirkliche Hilfe ist und andererseits in unserem modernen Medienzeitalter jedem Nutzer effektivere Möglichkeiten in Form von Internet, Übersetzungshilfen und elektronischen Wörterbüchern zur Verfügung stehen. Diese Betrachtungsweise entspricht voll und ganz meinen Erfahrungen, die ich mit folgenden Vorschlägen untermauern möchte:
  1. einsprachige Wörterbücher zu nutzen für die individuelle Spitzenförderung besonders talentierter, sprachbegabter Schüler zur Erweiterung des Wortschatzes und Differenzierung des Ausdrucksvermögen
  2. zweisprachige Wörterbücher für leistungsschwächere Schüler zuzulassen
  3. eine Differenzierung der Anwendung von Wörterbüchern nach Grund –und Leistungskursen zu prüfen
  4. die generelle Zulassung elektronischer Wörterbücher zu prüfen.
 
Es wäre interessant zu wissen, wie diese Dinge an anderen Schulen mit sixth form colleges  und an grammar schools gehandhabt werden. Ein weiterer Vorschlag meinerseits wäre daher, zu prüfen, ob man einen Hospitationsaufenthalt zeitlich so gestalten könnte, dass man ggf. an zwei vergleichbaren Schulen Erfahrungen sammeln könnte.
 
Auch wenn ich mich mit meinen Überlegungen, die sich aus meiner langjährigen Tätigkeit als Lehrer und meinen mehrfachen Erfahrungen mit dem englischen Schulsystem (Sprachkurse 1992, 1995, 1996 und ein Hospitationspraktikum 1999) speisen, zu der in Deutschland derzeit praktizierten Schulpolitik in scheinbarem Widerspruch befinde, möchte ich meine Erkenntnisse im Interesse einer zukunftsorientierten Bildungspolitik, die darauf gerichtet ist, die anstehenden Probleme einer Lösung zuzuführen, zusammenfassend wie folgt formulieren:
 
  1. Bildungspolitik sollte in unserer Bundesrepublik nicht länger in Länderhoheit liegen, sondern zentralisiert werden (AQA, OCR, Edexcel – durch den beaufsichtigte examination boards),  um Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit herzustellen und damit den Gleichheitsgrundsatz gemäß des Grundgesetzes für Schüler bundesweit zu gewährleisten!
  2.  Die strukturelle Verantwortlichkeit sollte nicht länger in Schulamt und Schulverwaltungsamt getrennt sein!
  3.  Die Eigenverantwortung der Schulen sollte dahingehend gestärkt werden, dass ihnen die Finanzhoheit über das finanzielle Budget übertragen wird, damit Schulen vor Ort entscheiden können, was am dringendsten für die Weiterentwicklung des konkreten Schulprofils benötigt wird.
 
Vielleicht können meine Erfahrungen und Überlegungen auch ein Stück weit dazu beitragen, notwendige Veränderungen auf den Weg zu bringen, denn eine Bewältigung der uns allen bekannten Probleme liegt mir persönlich, die ich meinen Beruf liebe und mir keinen anderen vorstellen kann, besonders am Herzen. Abschließend möchte ich all denen danken, die mir diesen Aufenthalt in Großbritannien ermöglichten, insbesondere aber den Kollegen der Billericay School, die mich so freundlich aufgenommen haben und mir in unzähligen Gesprächen zu allen schulorganisatorischen Fragen, in Hospitationen in den unterschiedlichsten Fächern und in selbst erteilten Stunden die Möglichkeit des Sammelns wertvoller Erfahrungen einräumten.
 
Ich betrachte diesen Erfahrungsaustausch als unverzichtbare Komponente für meine eigene pädagogische Arbeit in den nächsten Jahren und würde die damit verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen im Interesse der Sache durchaus wieder auf mich nehmen.